Glaube, Liebe, Hoffnung

(Ödon von Horvath, 2009, Oldenburgisches Staatstheater)

Mit: Thomas Birklein, Ekat Cordes, Juliana Djulgerova, Anne Eversbusch, Sascha Grüb, Sigrid Imm, Caroline Nagel, Jens Ochlast, Gilbert Mieroph, Gerhard Palder / Thomas Liechtenstein, Eva-Maria Pichler, Klaas Schramm, Norbert Wendel

Regie: Sascha Bunge

Bühnenbild und Kostüme: Angelika Wedde

Dramaturgie: Jörg Vorhaben

Fotos: Andreas Etter

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DIE MENSCHEN SIND RESTLOS VERWIRRT, ABER AMÜSIEREN SICH PRÄCHTIG.

Ungeachtet aller über uns hereinbrechenden Katastrophen und Krisen vollzieht sich die Weltgeschichte einfach weiter und läßt den Menschen keine Atempause. Diese Grunderfahrung der Moderne ließ sich zum Ende der Weimarer Republik ähnlich beschreiben wie heute. Die Rezepte für den Umgang damit sind die gleichen: Panik, Resignation, Ablenkung.

Daß wir uns heute mit dem Phänomen Massenarbeitslosigkeit als systemimmanentem Zeichen abgefunden haben und keine Visionen mehr entwickeln, die vorhandenen Menschen effektiv einzusetzen, scheint ein Unterschied zu sein. Der Mensch verschwindet in Minijobexistenzen ohne Kündigungsschutz und empfindet sich als Müll. Brechts Metapher für die Menschheit als Tierherde, die sich widerstandslos zur Schlachtbank treiben läßt, ist für das 20. Jahrhundert formuliert, aber im 21. Jahrhundert nicht weniger gültig. Elisabeth, die Hauptfigur, sagt am Anfang des Stückes: „Und der Glaube versetzt Berge und ich werde den Kopf nicht hängen lassen." Sie wird wie alle Idealisten scheitern. Das tut weh. Ihr mehr als dem Zuschauer. Der immerhin kann seinen Voyeurismus am intimen Leben anderer Menschen befriedigen. Er beobachtet eine Frau, die mit allem, was ihr zur Verfügung steht, ums Leben strampelt und gegen ihre Angst kämpft. Jemandem beim Sterben zuzusehen, kann sehr ästhetisch sein. Indem sie sich einen Rest Würde bewahrt, ist Elisabeth zu unflexibel, um zu überleben. Sie beißt und kratzt, aber hat es nicht gelernt, zu treten. Ihr Bedürfnis nach Liebe wird ihr zum Verhängnis. Es gibt nur einen Kuchen und der reicht nicht für alle. Leider. Das produziert vielfältige Techniken der Verdrängung. Alle Figuren sind angetrieben auf der Suche nach einer Möglichkeit und reagieren mit der Gereiztheit eines Flipperautomaten, als wären sie ferngesteuert. Jeder kämpft darum, irgendein Stück Leben festzuhalten.

Sascha Bunge