Iphigenie auf Tauris

(Johann Wolfgang von Goethe, 2004, Theater Aachen)

Mit: Lorenz Claussen, Heino Cohrs, Bettina Ernst, Denis Pöpping, Peter Priegann

Regie: Sascha Bunge

Bühnenbild und Kostüme: Constanze Fischbeck

Dramaturgie: Lukas Popovic

Fotos: Frank Heller



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WARTEN AUF DIE BARBAREN.

Goethe schreibt IPHIGENIE AUF TAURIS im Zeichen eines Reformstaus. Weimar in Agonie, er selbst auf der Flucht. Ein Konglomerat aus italienischen, orientalischen und deutschen Versatzstücken dient ihm als literarische Ausweichphantasie, der „Wilde“ wie bei Mozart, Gluck oder Voltaire wechselweise als Hoffnungsträger oder Barbar. Die Verdrängung oder – wie in der Sprache des Diplomaten Goethe formuliert – Lösung (b)innenpolitischer Probleme mittels Hinwendung zur Außen-, Sicherheits- und Kolonialpolitik neuen Stils sind uns als Techniken heutigen Politikgebarens bestens bekannt. Dass unter der Last von Schuldkomplexen gegenüber der eigenen Vergangenheit so genannte „Werte“ auf scheinbar archaische Kulturen projiziert werden, wie es die Griechen in Goethes grandiosem, 200 Jahre alten Text tun, findet sich auch in unseren Ängsten, unserem Unbehagen gegenüber kulturellen Systemen, die über ihre Eigenheiten und ihren Eigensinn in besonderem Maße wachen. Goethes IPHIGENIE thematisiert die Differenz – kulturell wie sozial. Dass er sein Interesse für das Letztere hinter einem idealistisch-verantwortungslosen Denken versteckt, ist plausibel – er braucht ein Modell, um das Brodeln der Figuren im Zaum zu halten, die Hochsprache, um ihre Zerrissenheit zu bändigen. Es geht hier nicht um Dialog, Toleranz, Vergebung oder gar Frieden, sondern um die Akzeptanz des Kriegszustandes.

Sascha Bunge