(für AETHER TROMMELN EUROPA – eine romantische Versuchsanordnung von Penelope Wehrli im Festspielhaus Dresden-Hellerau, 1999)
Presse: junge welt
Link: AETHER TROMMELN EUROPA
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Im Dezember 1998 erzählte ich Penelope Wehrli von meinen ersten Weltreisen. In meinem Ostberliner Kinderzimmer saß ich in den siebziger Jahren über einem Schulatlas und entwarf Routen durch die Länder, die ich bereisen wollte, es waren nahezu alle. Für Schulzwecke war der Atlas nicht mehr zu gebrauchen, die Karten waren unter meinen Bemalungen unkenntlich geworden, nach dem Vorbild meines Idols Karl May hatte ich mich in die Welt eingezeichnet und ein virtuelles Netz von Wegstrecken über den Globus gelegt.
Da Penelope Wehrli ihr Projekt AETHER TROMMELN EUROPA dem sächsischen Schriftsteller Karl May widmete, lud sie mich ein, in der Nacht vom 19. zum 20. Juni 1999 für die Dauer von neun Stunden im Festspielhaus Hellerau bei Dresden einen Karl–May-Leseraum einzurichten. Im Zentrum des Raumes befanden sich fünf Lese- / Arbeitsplätze, die von der Projektion einer nächtlichen Lesung und einer über neun Stunden entstehenden Weltkarte eingerahmt war, die Karl Mays virtuelle Reisen nachvollzog, indem sie das über den Globus gezogene Netz an Reiserouten sichtbar machte.
Anwesend waren also der Autor, sein Leser und sein Werk. Die Installation verschrieb sich der Nacht so wie May selbst seine mitunter trancehaften Schreibsitzungen häufig nachts unternommen hatte. Glaubt man seinen Biographen, entstanden während der Radebeuler Wanderungen zwischen Terasse und Schreibtisch häufig bis zu 100 Seiten innerhalb einer Nacht. Und so wie in seinen Büchern die wichtigsten Gespräche über Religion und Weltanschauung unter nächtlichem Himmel stattfinden, wollte ich eine Auseinandersetzung mit seinen Visonen von einer friedlichen Menschheit im zweimaligen Wechsel von Dämmerung und Dunkelheit anregen.
Sascha Bunge